1000 Tage Krieg in der Ukraine - Schmerz, Liebe und Glaube
Der 19. November 2024 markiert den 1000. Tag seit Beginn des Konflikts in der Ukraine - der am 22. Februar 2022 ausbrach.
Brief eines Universitätsstudenten
Papst Franziskus nannte den Jahrestag bei der Generalaudienz am 20. November „einen tragischen Jahrestag und eine beschämende Katastrophe für die ganze Menschheit“. Er fügte hinzu: „Dies darf uns jedoch nicht davon abhalten, dem gequälten ukrainischen Volk beizustehen, den Frieden zu erflehen und uns dafür einzusetzen, dass die Waffen dem Dialog und die Konfrontation der Begegnung weichen.“
Schließlich verlas er den Brief eines ukrainischen Universitätsstudenten, der an ihn gerichtet war:
„Vater, wenn Du am Mittwoch meines Landes gedenkst und die Gelegenheit hast, am tausendsten Tag dieses schrecklichen Krieges zu der ganzen Welt zu sprechen, bitte ich Dich, sprich nicht nur von unseren Leiden, sondern auch von unserem Glauben: auch wenn er unvollkommen ist, er malt das Bild des auferstandenen Christus mit schmerzhaften Pinselstrichen.
In all diesen Tagen gab es zu viele Tote in meinem Leben. In einer Stadt zu leben, in der eine Rakete Dutzende von Zivilisten tötet und verletzt und so viele Tränen zu sehen, ist schwer. Ich wäre gern geflohen, ich wäre gern wieder ein Kind, das von seiner Mutter umarmt wird, ich wäre gern in der Stille und in der Liebe, aber ich danke Gott, weil ich durch diesen Schmerz lerne, mehr zu lieben. Der Schmerz ist nicht nur ein Weg zu Wut und Verzweiflung; wenn er auf dem Glauben beruht, ist er ein guter Lehrer der Liebe. Wenn der Schmerz weh tut, bedeutet das, dass du liebst. Vater, wenn du also von unserem Schmerz sprichst, wenn du dich an die tausend Tage des Leids erinnerst, dann erinnere dich auch an die tausend Tage der Liebe, denn nur die Liebe, der Glaube und die Hoffnung geben den Wunden einen wahren Sinn.“
Die Don Bosco Schwestern in Odessa
Die Schwestern sind nach wie vor in Odessa, Kiew und Lemberg präsent, stehen der Bevölkerung zur Seite und leisten konkrete Unterstützung.
Die polnischen Don Bosco Schwester Teresa Matyja:
„Seit dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine sind 1000 Tage vergangen. 1000 Tage sind eine lange Zeit, wenn man bedenkt, dass es eine Zeit des Krieges ist, eine Zeit des endlosen Alarms und der Angriffe, die Verletzte und Tote verursachen.
Es ist eine Zeit des ständigen Wartens auf den Frieden. Dies ist eine Zeit des Gebets und der Hoffnung. Es ist eine Zeit, in der wir verschiedene Arten von Hilfe leisten: materiell, moralisch und geistlich. Dies ist eine Zeit für manchmal sehr schwierige Gespräche. Eine Zeit, in der man einem manchmal verzweifelten Menschen zuhört, der fragt: ‚Warum? Wo ist Gott?‘ Man braucht viel Geduld und Liebe, man muss warten können, bis die andere Person das Licht in all dem sieht, um die Gegenwart Gottes zu erkennen, der diesen Krieg nicht will, aber den freien Willen eines jeden Menschen respektiert.
Der Gedanke, aus Odessa wegzugehen, ist mir nie in den Sinn gekommen. Manchmal ist es schwierig, aber Gott gibt mir inneren Frieden und die Gewissheit, dass er da ist, dass alles in seiner Liebe ist. Das Vertrauen in Gottes Vorsehung wird nicht enttäuscht. Wir mussten eine schwierige Zeit durchstehen, als wir im Keller lebten, weil unsere Wohnungen überflutet wurden, während das Feuer gelöscht wurde. Wir mussten den Winter ohne Strom und oft auch ohne Wasser überstehen.
Gott kam immer sehr praktisch zu Hilfe und schickte gute Menschen. Alles hat seine Zeit, denn Er ist in allem. Ich glaube fest daran und bete viel dafür, dass die Menschen auf Gottes Vorsehung vertrauen und dass sie auch für ihre Feinde beten wollen. Ich frage nicht, wann es zu Ende ist. Ich weiß, dass Gott über alles wacht und diejenigen nicht im Stich lässt, die ihre Hoffnung auf ihn setzen.
Während dieser Zeit leben Studentinnen bei uns. Zurzeit sind es acht. Wir leben in einer neuen, umgebauten Wohnung.“
Studentin Katerina über diese 1000 Tage
„Der Krieg hat das Leben eines jeden Ukrainers in ein Vorher und ein Nachher geteilt. Ein 'Vorher', das von Sorglosigkeit, Leichtigkeit und Vertrauen in die Zukunft spricht; ein 'Nachher' der Gefahr, der Raketenangriffe, des Todes von Tausenden von Menschen jeden Tag und des Anstiegs der Zahl der Fotos von Soldaten auf dem Walk of Fame.
Wie beängstigend es auch erscheinen mag, wir haben uns an die Realität gewöhnt, erinnern uns an die Vergangenheit wie an ein Märchen und hoffen auf Frieden.
In den ersten Wochen des Krieges dachten wir, wir würden den Sieg mit Freudenschreien feiern, aber heute ist alle Freude verflogen, weil Tausende von Soldaten, die uns verteidigt haben, ihr Leben verloren haben.
Bei den ersten Explosionen und Zerstörungen habe ich Angst empfunden. Im vergangenen Jahr, während der Bombardierungen, habe ich versucht, ruhig zu bleiben und zu glauben, dass der Herr, die Muttergottes und der Schutzengel auf uns aufpassen werden und dass wir unter ihrem Schutz stehen. Das gibt mir Zuversicht und Hoffnung.
Ich spüre Gottes Gegenwart in meinem Leben und habe mehrmals die Gewissheit gehabt, dass meine Gebete erhört werden.
An einem freien Tag gab es zum Beispiel massive Angriffe am Arbeitsplatz. An einem anderen Tag wurden wir von guten Menschen beherbergt, die sich nach einem Brand im Haus der Schwestern um uns kümmerten.
Der Mangel an Strom und Kommunikationsmitteln brachte uns zusammen. Abends versammelten die Mädchen und ich uns in der Küche, zündeten Kerzen an, tranken Tee, teilten das Essen, redeten viel, kümmerten uns umeinander und unterstützten uns gegenseitig.
Die Begegnung mit den Schwestern ist ein Geschenk Gottes. Sie wurden zu unserer zweiten Familie. Wir fühlten uns stets unterstützt und waren sicher, dass sie uns auch in den schlimmsten Situationen nicht verlassen würden. Dafür werden wir ihnen immer dankbar sein.“
(Quelle: www.cgfmanet.org)