Ein Glas Wasser und Trost

Ein Glas Wasser und Trost: Noch nie zuvor gab es so viele Bootsflüchtlinge auf der italienischen Insel Lampedusa wie in diesem Jahr. Zu Tausenden kommen sie an, unter ihnen viele kleine und unbegleitete Kinder. Seit 2015 ist eine interkongregationale Gemeinschaft von Ordensfrauen vor Ort, die sich um die Migranten kümmert. Sie arbeiten mit Behörden, Einsatzkräften und Hilfsorganisationen zusammen. Sr. Maria Ausilia Consiglio ist eine von ihnen. Für Mariam berichtet die Don Bosco Schwester von ihrer Arbeit.
Interview: Karoline Golser
Foto: privat

Sr. Maria, Sie und zwei weitere Ordensschwestern sind im Auftrag der Internationalen Vereinigung von Generaloberinnen (UISG) vor Ort. Welche Hilfe leisten Sie und Ihre Mitschwestern?
Die Migranten, die in Lampedusa ankommen, sind nur auf der Durchreise. Die Menschen werden zunächst in ein Erstaufnahmelager und dann so schnell wie möglich ans Festland gebracht. Erreicht ein Boot den Hafen, dann begrüßen wir sie, wenn sie von Bord gehen. Sie bekommen ein Glas Wasser, einen Tee, einen Saft oder Kekse. Wir trösten diejenigen, die auf der Überfahrt einen geliebten Menschen verloren haben, wir begleiten sie zu den Gottesdiensten, wir wickeln Kinder. Natürlich erleben wir diese Situation mit großem Bedauern. Die Bedürfnisse der Einzelnen werden nicht berücksichtigt. Wir haben uns bemüht, die Anlegestelle einladender und hygienischer zu gestalten. Wir haben auch keine Anrufe bei der Präfektur, bei den zuständigen Behörden gescheut. Um bessere Lösungen zu finden, kann man nicht an der Haut derer sparen, die fliehen!
Das Erstaufnahmelager der Insel, der sogenannte „Hotspot“, ist heillos überfüllt. Was wissen Sie über die Zustände dort?
Es gab viele Beschwerden, und wir haben uns an die Presse gewandt und damit Aufsehen erregt. Seit dem 1. Juni 2023 ist die Leitung des Lagers an das italienische Rote Kreuz übergeben worden. Sie haben wirklich den Menschen in den Mittelpunkt gestellt. Sie haben Duschen gebaut, Etagenbetten, die Möglichkeit geschaffen, mit Verwandten zu kommunizieren, die Trennung von Männern, Frauen und unbegleiteten Kindern veranlasst, Familieneinheiten geschaffen. Es gibt mehr Transportmittel, drei Krankenwagen, kurz gesagt, mehr Würde. Dafür hat das Rote Kreuz gefordert, dass die Migranten nicht länger als 24 Stunden am „Hotspot“ bleiben dürfen, außer bei Schiffsverspätung oder schlechtem Wetter.
Sie sind auch für jene verantwortlich, die die Überfahrt nicht überlebt haben. Was geschieht mit den Toten?
Die Menschen, die auf dem Meer gestorben sind, nehmen wir von den Patrouillenbooten in Empfang, dann gehen wir auf den Friedhof in die Trauerhalle, zusammen mit anderen Freiwilligen und dem Priester. Dort gibt es einen Moment der Besinnung, um dieser Opfer von Ungerechtigkeit zu gedenken. Wir zünden Weihrauch an und bringen Blumen mit. Wir Schwestern informieren uns, wann der Transport der Verstorbenen mit dem Schiff zum Festland stattfinden wird. Dann gehen wir zum Handelshafen, um uns zu verabschieden und die Blumen für die letzte Reise zu überreichen. Was uns traurig stimmt, ist, dass die Bürokratie sehr langsam ist. Die Särge stehen oft monatelang in einem Raum ohne Kühlung und Klimaanlage, nur mit der Aufschrift: IGNOTO, IGNOTA – Unbekannter, Unbekannte.
Wie erleben Sie Ihre Arbeit und Präsenz in Lampedusa? Mit welchen Gefühlen werden Sie konfrontiert?
Von Beginn an setzte ich mich für die Insel ein, diesen Streifen Land, der zwar wunderschön ist, aber von so vielen Problemen geplagt wird – nicht nur von all den verzweifelten Menschen, die auf der Suche nach einer besseren Welt sind und oft den Tod im Meer finden. In Lampedusa muss alles mit dem Boot oder Flugzeug vom Festland kommen. Es fehlt an Freizeiteinrichtungen für Kinder und Jugendliche, es kursieren Drogen, es gibt geistig behinderte Menschen und ein Tageszentrum für sie. Meiner Meinung nach braucht es viel mehr Stabilität. Ich frage mich oft, ob ich genug Hilfe geben konnte!