Dieser unmenschliche Krieg

Im Haus der Don Bosco Schwestern in Lwiw/Lemberg herrscht praktisch rund um die Uhr Betriebsamkeit. Der Krieg zwingt die Gemeinschaft, sich neuen Bestimmungen zu stellen. Sr. Jolanta Liska berichtet über die Hilfeleistungen, die die Schwestern mit Freiwilligen stemmen.
Text: Karoline Golser
Foto: FMA Lwiw/Salezjański Ośrodek Misyjny Warszawa

„Die ersten Kriegstage waren für alle ein Schock“, sagt Sr. Jolanta Lisak, eine der vier Don Bosco Schwestern aus der Gemeinschaft in Lwiw. 1996 kam sie hier in dieses Haus, das vor dem Krieg ein Wohnheim für 14 junge Studentinnen war. „Wir haben bis zuletzt nicht geglaubt, dass der Krieg uns so schrecklich treffen würde!“, so die Ordensfrau. „Dieser ungerechte und unmenschliche Krieg, der jeden Tag Tausende unschuldige Opfer fordert.“
In den ersten Tagen, wenn die Sirenen die Bevölkerung aufforderten, die Notunterkünfte aufzusuchen, kamen Nachbarn aus umliegenden Häusern zu den Schwestern, um in deren Keller Schutz zu finden und gemeinsam zu beten. „Von Anfang an waren wir davon überzeugt, dass unsere stärkste Waffe gegen den Krieg das Gebet ist“, so Sr. Jolanta. „Nach und nach, mit dem Eintreffen der ersten Menschen, die bei uns Zuflucht suchten, haben wir gesehen, dass wir ganz konkrete Dinge tun können.“
Nach Gesprächen mit einem befreundeten Salesianer, der acht Jahre lang als Seelsorger für Soldaten gedient hatte, beschlossen sie, bei der Herstellung von Verbänden für Verwundete zu helfen, da diese zu diesem Zeitpunkt Mangelware waren. Sie holten die gesamte weiße Wäsche aus den Schränken und begannen damit, Bandagen zu produzieren. Als Hilfe aus dem Westen eintraf und damit auch genug Verbandsmaterial, wechselten die Schwestern zur Verteilung von Lebensmitteln und Medikamenten.
„Die ersten Flüchtlinge, die wir aufnahmen, waren eine Mutter und ihre drei Monate alte Tochter aus Charkiw. Dort, im Keller, überlebten sie neun Tage lang den Beschuss und mussten dann eine lange und gefährliche Reise nach Lwiw antreten“, erzählt Sr. Jolanta. „Der einzige Wunsch der Mutter war, an einem Ort zu leben, an dem nicht geschossen wird.“
Es folgen weitere verängstigte und hilflose Menschen. Sie kommen aus Kiew, Tschernihiw oder Sumy und steuern unter anderem Polen an. Die Schwestern heißen sie mit offenem Herzen willkommen und geben ihnen – wenn auch nur für kurze Zeit – ein Zuhause. „Vor allem aber hören wir zu.“
Dank der geografischen Lage und der Kontakte zu Polen ist das Haus in Lwiw zu einem „Knotenpunkt“ geworden. „Wir haben die Möglichkeit, humanitäre Hilfe aus und über Polen zu erhalten. Wir bereiten Pakete mit Lebensmitteln und Hygieneprodukten vor, teilen sie auf und schicken sie in den Osten für die Soldaten oder in andere Teile der Ukraine“, schildert Sr. Jolanta die Aufgaben, denen die Gemeinschaft zurzeit nachkommt. In Zusammenarbeit mit Freiwilligen und dem Salesianischen Missionszentrum in Warschau können sie die wirklichen Bedürfnisse der Bevölkerung laufend erkennen und diese Informationen weitergeben, damit die Hilfe, die hereinkommt, auch wirklich nützlich ist. „Jetzt sehen wir aber auch, dass es in unserer Stadt immer mehr bedürftige Familien gibt. Viele Menschen haben ihre Arbeit verloren und die Vorräte und Ersparnisse gehen zur Neige. Hier wird eine neue Generation der Armut geboren.“
Es ist Krieg und für die Schwestern zählt nur das Heute. „Aber wir erleben neben dem Schrecklichen jeden Tag auch so viel Gutes“, sagt Sr. Jolanta. „Es trägt die Namen Solidarität, Hilfe, Aufnahme ... Dieses große ‚Gut‘, das in der Welt erwacht ist, wird das ‚Böse‘ nicht gewinnen lassen.“