„Sind Sie echt?“

Vor 30 Jahren – drei Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer – kamen die ersten Don Bosco Schwestern nach Magdeburg. Damals in den Wendejahren hatte die Jugend mit verschiedensten Problemen zu kämpfen, und für die weitgehend ohne religiöse Bildung aufgewachsene Bevölkerung waren die Ordensfrauen ein mehr als ungewohnter Anblick.
Text: Karoline Golser

„Nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 hatte unser Institut überlegt, in Ostdeutschland am Wiederaufbau mitzuhelfen“, erzählt Schwester Lydia Kaps, Gemeinschaftsleiterin und Schwester der ersten Stunde im Stadtteil „Neustädter Feld“ im Norden von Magdeburg. Für viele Menschen der ehemaligen DDR änderte sich nach der Wiedervereinigung die gesamte Lebens- und Wertewelt. Die Angst vor Arbeitslosigkeit ging in den Familien um. Nicht wenige junge Menschen erlebten die Wendejahre als Zeiten der persönlichen Krise. Rechtsradikalismus, Alkohol, Drogen, Gesetzeskonflikte bestimmten ihren Alltag. Viele Jugendklubs hatten geschlossen, die Jugendlichen standen auf der Straße. Mit Unterstützung der Stadt und des Bistums Magdeburg widmeten sich die Schwestern fortan der offenen Jugendarbeit und eröffneten ein Jugendzentrum.
Bei Katholiken willkommen
Nach Jahrzehnten der Zurückdrängung und Repression gegenüber Kirchenmitgliedern wurden die Schwestern bei den wenigen Katholiken, die es in Magdeburg gab, herzlich aufgenommen. „Sie hatten allerdings eine sehr traditionelle Vorstellung von Ordensschwestern“, erinnert sich Schwester Lydia. Dem wurden die weltoffenen Schwestern nicht ganz gerecht. Als sie 1993 mit dem Jugendzentrum starteten, habe es durchaus Vorbehalte gegeben. Das lag unter anderem daran, dass im Jugendzentrum nicht ausschließlich Katholiken willkommen waren. „In der DDR war Religion nicht erwünscht. Die Kinder vieler Pfarrmitglieder wurden zu DDR-Zeiten diskriminiert. Jetzt waren plötzlich die Jugendlichen, die ihren Kindern Schwierigkeiten gemacht hatten, in unseren Räumlichkeiten“, erklärt Schwester Lydia das Dilemma. Viel Dialog war zu Beginn nötig.
Kirche – was ist das?
In den Anfangsjahren mussten die Schwestern viele Fragen zur katholischen Kirche beantworten. „Die Menschen waren sehr offen für die Kirche, hatten aber kaum oder gar keine Ahnung davon“, erzählt Schwester Lydia. Sie selbst wurde einmal von einem jungen Mann mit den Worten „Sind Sie echt?“ angesprochen. Mit den Jugendlichen kam es oft zu Gesprächen, die sich die Ordensschwester niemals hätte vorstellen können. „Einmal stand zum Beispiel die Frage im Raum, ob ich als Ordensschwester in die Hölle komme, wenn es mir nicht gelingt, aus den Jugendlichen ordentliche Menschen zu machen.“
Blick in die Zukunft
Heute versuchen die Schwestern, neben der offenen Jugendarbeit auf aktuelle Bedürfnisse zu reagieren, und unterstützen Geflüchtete, indem sie beispielsweise beim Deutschlernen helfen oder sie zu Behördengängen begleiten.
„Die offene Jugendarbeit und die Zusammenarbeit mit der Arbeitsstelle für Jugendpastoral der Diözese Magdeburg sehe ich auch mit Blick auf die Zukunft als wichtigsten Schwerpunkt unserer Aufgabe hier an diesem Standort“, so Schwester Bernadeth Geiger, die seit sieben Jahren im Jugendzentrum arbeitet. „Der Bedarf an Einrichtungen und Orten für Kinder und Jugendliche ist angesichts der jährlich steigenden Zahl an jungen Menschen in Magdeburg ein wichtiger präventiver Beitrag für das gesellschaftliche Leben in dieser Stadt.“